Die Geschichte des Goethe-Quartiers [1/4]

Das von gründerzeitlichen Altbauten mit ihren vielfältigen Schmuckfassaden geprägte Viertel liegt im Dreieck zwischen der Hafenstraße, der Pestalozzistraße und der Rickmersstraße. Die in nordsüdlicher Richtung verlaufende Goethestraße und einige ihrer Nebenstraßen sind im Bereich zwischen der Meide- und der Frenssenstraße verkehrsberuhigt angelegt worden. Für den Durchgangsverkehr verläuft westlich, parallel zur Goethestraße die Körnerstraße, die südlich der Zollinlandstraße in die Moltkestraße übergeht. Querverbindungen für die Zufahrt zum Wohngebiet sind die Frenssen- und die Kistnerstraße.

Ein Bremer Hafen an der Wesermündung

Die Geschichte des Goethe-Quartiers ist eingebettet in die Geschichte Lehes und die der anderen Unterweserorte auf dem Gebiet der heutigen Stadt Bremerhaven.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts behinderte eine fortschreitende Versandung der Weser zunehmend die Schiffe auf ihrem Weg weseraufwärts zu den Häfen in Bremen. Deshalb hatte die Stadt Bremen vom damaligen Königreich Hannover ein Gebiet nördlich der Mündung der Geeste in die Weser für den Bau eines Hafens und die Gründung einer neuen Siedlung erworben.

Für den Bau des Hafens wurden auswärtige Bauarbeiter angeworben. Viele von ihnen wohnten in Lehe. Ihr Weg zur Arbeit führte entlang der um 1830 zu einer befestigten Landstraße ausgebauten "Leher Chaussee nach Bremerhaven" (heute Hafenstraße), die damals ein Verbindungsweg von Lehe durch die Leher Feldmark nach Bremerhaven war. Um die Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts erfolgte ein weiterer Ausbau mit breiten Gehwegen und einem Gleis für die Pferdebahn, die 1881 ihren Betrieb aufgenommen hatte. 1898 wurde ein zweites Gleis hinzugebaut.

Mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme des Hafens im Jahre 1830 zogen immer mehr Menschen in die Unterweserorte Geestemünde und Lehe. Sie fanden Arbeit im Hafen und in den damit verbundenen Branchen (Schiffsausrüster, Zulieferer, Werften etc.). In der Folge wurde der Wohnraum im alten Ortskern Lehes rund um die Dionysiuskirche schnell knapp.

Entlang der Hafenstraße siedelten sich Betriebe der Bauwirtschaft an. An der Hafenstraße, im Bereich gegenüber der Auestraße, ist auf einem
Stadtplan aus der Zeit um 1901 die Ziegelei der Firma Sonntag zu sehen. Um 1838 kamen die Ziegeleien der Firma von Schnehen beim Leher Tor und der Firma Krüger im Bereich der heutigen Kistnerstraße hinzu. In den Jahren 1903/04 errichtete das Baugeschäft H. F. Kistner an der heutigen Werftstraße, im Bereich zwischen der Hafenstraße und der Geeste, seine Kalksandsteinfabrik.


Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden links und rechts der Hafenstraße, im heutigen Aueviertel und im heutigen Goethe-Quartier,
die ersten Häuser für die neu hinzugezogenen Menschen. Parallel dazu entwickelte sich die für das Leben der Menschen notwendige Infrastruktur: Handwerker, darunter auch aus Italien angeworbene Terrazzo-Bodenbauer, errichteten ihre Werkstätten in den Hinterhöfen der Häuser. Bäcker, Schlachter, Lebensmittelhändler, Friseure und andere Dienstleister eröffneten ihre Geschäfte in den Erdgeschossen der neuen Gründerzeithäuser.

Neue Schulen wurden gebraucht. Östlich der Hafenstraße wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Lessingschule (heute Schule am Ernst-Reuter-Platz) errichtet. Im heutigen Goethe-Quartier entstanden die höhere Töchterschule (zuletzt Theodor-Storm-Schule, heute die "Theo") und die Körnerschule (heute Astrid-Lindgren-Schule). Auf dem Gelände des heutigen "Pausenhofs Lehe" befand sich die katholische Schule (zuletzt Deichschule.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann Lehe sich zu einer "Boomtown" zu entwickeln. Mit dem Ausbau der bremischen Häfen wuchs die Einwohnerzahl:

  • 1821 lebten im alten Ortskern von Lehe 1545 Menschen.
  • 1827 begann die Stadt Bremen mit dem Bau ihres Hafens und gründete den Unterweserort Bremerhaven.
  • 1830 wurde der Hafen (heute Alter Hafen) fertiggestellt.
  • 1831 wohnten 1700 Menschen in Lehe.
  • 1847 wurde mit dem Bau des Neuen Hafens begonnen.
  • 1852 wurde der Neue Hafen fertiggestellt.
  • 1873 erfolgte der Baubeginn des Kaiserhafens I und der Kaiserschleuse.
  • 1876 waren der Kaiserhafen I und die Kaiserschleuse fertiggestellt.
  • um 1900 leben 24301 Menschen in Lehe.
  • 1919 war die Einwohnerzahl Lehes auf 38105 angestiegen.
  • 1920 erhielt Lehe das Stadtrecht.
  • als die Städte Lehe und Geestemünde 1924 zur neuen Stadt Wesermünde vereinigt wurden, lebten 41000 Menschen in Lehe.
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