Die Geschichte des Goethe-Quartiers
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Gründung der Stadt Wesermünde
1924 entstand aus der Vereinigung von Lehe und Geestemünde die Stadt Wesermünde. Die bis dahin eigenständigen Gemeinden waren jetzt Stadtteile der neu gegründeten Stadt. 1927 wurde Weddewarden als Ortsteil in Wesermünde eingemeindet und 1939 kam auch der vormals eigenständige bremische Unterweserort Bremerhaven dazu.
In den Eckkneipen des Goethe-Quartiers pulsierte über Jahrzehnte hinweg allabendlich das Leben. Nach Feierabend tauschten die Arbeiter dort die neuesten Informationen aus. Die Gespräche drehten sich um die Arbeitsbedingungen im Hafen, auf den Werften, in der Seefahrt und in den zahlreichen Handwerksbetrieben. Nur wenige Menschen hatten damals eine Zeitung. Radio und Fernsehen gab es noch nicht.
Das Goethe-Quartier im Zweiten Weltkrieg
Der Aufschwung im Quartier hätte immer so weiter gehen können. Aber mit Beginn der Herrschaft Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten kam es zu grundlegenden Änderungen im Leben der Menschen im damaligen Deutschen Reich.
Nachbarn jüdischen Glaubens, die rechtzeitig erkannt hatten, was auf sie zukommen könnte, verließen Wesermünde und emigrierten in andere Länder. Andere verschwanden spurlos. Bis 2021 wurden in Bremerhaven 136 Stolpersteine
verlegt, die an die Schicksale der Verschleppten und Ermordeten erinnern, darunter 36 in Lehe und 10 alleine im Goethe-Quartier. Und auch in Wesermünde wurden in der Reichspogromnacht 1938 die Geschäfte jüdischer Mitbürger zerstört und ihre Synagoge in Brand gesetzt.
Mit dem von Adolf Hitler befohlenen Überfall auf Polen begannen die Nationalsozialisten 1939 den Zweiten Weltkrieg in weite Teile der Welt zu tragen. Dafür wurden immer mehr Soldaten benötigt und Immer mehr Männer wurden zur Reichswehr eingezogen. Viele von ihnen kehrten nie zurück.
Mit der Bombardierung der Industriezentren und der Städte brachten die Alliierten den Krieg zurück ins Deutsche Reich. Im Juni 1944 wurde bei einem Angriff der alliierten Bomberflotten auf Wesermünde insbesondere die Gegend um die Pauluskirche getroffen. Innerhalb von 20 Minuten wurde im darauffolgenden September der Stadtteil Wesermünde-Mitte zu 97 Prozent, Geestemünde zu 75 Prozent und Lehe zu 12 Prozent zerstört. Wenn der Krieg nur ein Jahr früher geendet hätte, dann hätten Bremerhaven und viele andere Städte heute ein völlig anderes Gesicht und den Menschen im gesamten damaligen Deutschen Reich wäre viel Leid erspart geblieben.
Das Goethe-Quartier hatte den Angriff nahezu unbeschadet überstanden. Diesem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass im Goethe-Quartier eine vollständige Blockrandbebauung aus Häusern aus der Gründerzeit erhalten geblieben ist.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Alliierten das ehemalige Reichsgebiet unter sich in Besatzungszonen aufgeteilt. Die Städte Bremen und Wesermünde waren dabei als zu Niedersachsen zugehörig angesehen worden und gehörten damit ursprünglich zur englischen Besatzungszone. 1947 wurden sie von den Engländern an die Amerikaner übergeben. Damit wurden sie zu einer Exklave der amerikanischen- innerhalb der englischen Besatzungszone.
Aus Wesermünde wird Bremerhaven
Im gleichen Jahr entstand aus den Städten Bremen und Wesermünde das heutige Bundesland Bremen. In diesem Zusammenhang erhielt die Stadt Wesermünde ihren heutigen Namen "Bremerhaven".
Einige der alten Gründerzeithäuser konnten nach dem Krieg leider nur notdürftig wiederhergestellt werden. Diese Gebäude fallen beispielsweise durch die im Gegensatz zu den Nachbarhäusern geringere Anzahl an Stockwerken oder durch deutlich flachere Dächer ohne Ziegelbedeckung auf.
Einige Lücken im Stadtbild sind später durch Neubauten ersetzt worden, darunter auch Gebäude im Stil der fünfziger bis siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese stören damit an einigen Stellen nachhaltig das ansonsten durch die Gründerzeithäuser geprägte Stadtbild im Goethe-Quartier. Dass es auch anders geht, zeigen einige Gebäude, denen man erst auf den zweiten Blick ansieht, dass es sich bei ihnen um Neubauten handelt.